Neues aus der Quest Akademie
Quest - Das Wort, die Historie und die Essenz
Das feminine Wort Quest, das aus dem lateinischen „Quaestio“ („Forschung“, „Suche“) bzw. dem Verb „quaerere“ („fragen“, „suchen“) abgeleitet und im Englischen wie im Französischen eher zu Hause ist, heisst im Deutschen, Wikipedia zufolge, „Suchmission“.
Die Quest ist aber auch die abenteuerliche Reise „eines Ritters oder Helden, in deren Verlauf er verschiedene Aufgaben löst, Abenteuer besteht, Feinde besiegt, Objekte findet, Schwierigkeiten überwindet und dadurch Ruhm und Erfahrung erntet oder sein angestrebtes Ziel erreicht (zum Beispiel den heiligen Gral). Sinn der Quest ist im Allgemeinen die Erfüllung ehrenvoller Pflichten, aber auch die innere Reifung und Reinigung eines Helden.“ (Wikipedia, Stand Mai 2021.)
Es ist natürlich absurd und unvorstellbar, dass die Protagonist*innen in diesem Zitat nur maskulinen Geschlechts sind. Für die Held*innen unserer Quest besteht das Ziel der abenteuerlichen Reise wohl vor allem in der „inneren Reifung“.
Vor 20 Jahren war für uns klar, dass wir Erwachsenenbildung machen wollten, weil wir etwas mit-teilen wollten: eine Idee, ein Gut, eine Haltung, Werte für ein lebenswertes Leben. All dies sollte in gemeinsamen Bildungsreisen themenspezifisch entdeckt und entwickelt werden. Das klingt möglicherweise etwas hochtrabend und anmaßend, erklärt sich aber aus dem Umstand, dass die ersten von uns damals bei einem Bildungsträger arbeiteten, der (mit „Bildung“) vor allem Geld verdienen wollte – ohne weitere Ideen, Haltung und Werte. Und so kam es, dass sich einige von uns zusammentaten, wir aufbrachen und uns auf den Weg machten. Der Beginn unserer Quest!
Quest stand und steht bei uns für die Suche nach Antworten auf komplexe Fragen: Wie gelingt Kontrolle bei einem Phänomen (Sucht, Abhängigkeit), dessen konstitutionelles Definitionsmerkmal der Kontrollverlust sein soll? Wie kann ein Mensch herausfinden, was er wirklich will? Wie können wir Fürsorge und Autonomie vereinbaren? Wie motiviere ich mich und andere? Wie können Gruppen miteinander menschlich und produktiv arbeiten? Wie funktioniert Inklusion?
Die Anfangszeit von Quest war davon geprägt, die Suchtkrankenhilfe „auf den Kopf zu stellen“ und einen dritten Weg zwischen „gar nichts machen“ und „Totalabstinenz“ zu etablieren. Die Idee der Kontrolle von etwas, was quasi per Definition als unkontrollierbar galt, spiegelt unsere Grundhaltung und gleichzeitig unseren Ausgangspunkt gut:
„Wenn du nur eine Wahl hast, bist du wie ein Stein.
Wenn du zwei hast, bist du wie ein Lichtschalter.
Ab drei Wahlmöglichkeiten beginnst du Mensch zu sein.“
Moshé Feldenkrais
Wahlfreiheit (und damit Autonomie) zu vergrößern, bedeutet einerseits, die Zahl der Wahlmöglichkeiten auf mindestens drei zu erhöhen. Dadurch wird zieloffene Suchtarbeit erst möglich. Andererseits bedeutet es, die Kompetenz der inneren Suche nach einer stimmigen Entscheidung herauszubilden bzw. zu trainieren. Als Grundlage für dieses Kompetenztraining fanden wir auf „unserer Reise“ relativ schnell das Gesprächsführungskonzept des Motivational Interviewing (MI). MI hilft, innere Suchbewegungen in Richtung dessen, “was ich wirklich, wirklichwill” (Frithjof Bergmann), anzuregen und zu begleiten, was im Englischen als „guiding“ und im Deutschen als „geleiten“ bezeichnet werden kann. MI hilft nachweislich jenen, die geleitet werden, zu mehr Motivation und denen, die geleiten, zur Reduktion von Motivationsverlust (Burnout).
Was wir noch gefunden haben auf unserer Quest zur Stärkung von Kompetenzen der eigenen Lebensführung: das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®), die Modelle von Schulz von Thun, die Klärungshilfe … und insbesondere die Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI) von Julius Kuhl.
Mit der PSI-Theorie fanden wir den übergeordneten Rahmen für unser Tun. Die „Quest“ für jeden Menschen können wir demzufolge etwa so beschreiben: „Eine ,reife‘ Persönlichkeit ist selbstregulativ, d.h. sie ist sie selbst und handelt aus ihrem Selbst, und sie setzt ihre selbstbestimmten Ziele in die Tat um.“ Menschen, Individuen und Gruppen, auf dieser Entwicklungsreise zu begleiten, ist unser selbstgestecktes Ziel.
Folgende Leitplanken geleiten uns dabei:
- Interventionen, die wir weitergeben und trainieren, müssen evidenzbasiert sein.
- Wir sind überzeugt, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist. Sie besteht aus unendlich vielen Bunt- und Grautönen.
- Diversität ist ein anspruchsvolles und wertvolles Geschenk.
- Ambivalenz ist normal und nicht pathologisch. Man kann sie nutzen.
- Das Gute besteht aus scheinbaren Gegensätzen. Yin braucht Yang und vice versa.
- Handle so, dass die Zahl der Handlungsfreiheitsgrade erhöht wird (Heinz von Foerster).
- Alles wirkliche Leben ist Begegnung (Martin Buber).
Und jetzt – mit 20 Jahren – lernen wir die Bedeutung unseres Namens noch besser kennen.
Es ist wohl kein Zufall, dass uns ein Künstler eine Antwort anbietet, die voller Ambiguität und Klarheit ist:
Ich suche nicht – ich finde.
Suchen – das ist Ausgehen von alten Beständen
und ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuen.
Finden – das ist das völlig Neue!
Das Neue auch in der Bewegung.
Alle Wege sind offen und was gefunden wird, ist unbekannt.
Es ist ein Wagnis, ein heiliges Abenteuer!
Die Ungewissheit solcher Wagnisse können eigentlich nur jene auf sich nehmen, die sich im Ungeborgenen geborgen wissen,
die in die Ungewissheit, in die Führerlosigkeit geführt werden,
die sich im Dunkeln einem unsichtbaren Stern überlassen,
die sich vom Ziele ziehen lassen und nicht
– menschlich beschränkt und eingeengt – das Ziel bestimmen.
Dieses Offensein für jede neue Erkenntnis im Außen und Innen:
Das ist das Wesenhafte des modernen Menschen,
der in aller Angst des Loslassens doch die Gnade des Gehaltenseins im Offenwerden neuer Möglichkeiten erfährt.
Pablo Picasso